21.10.2022

Prävention von Produkthaftungsrisiken und Qualitätsmanagement

 

Massnahmen zur Risikominderung

Gemäss Produkthaftungsgesetzt (PrHG) wird für jeden Fehler eines Produkts, der einen Personen- oder Sachschaden verursacht hat, gehaftet, also auch dann, wenn der Hersteller alle nur denkbaren und ihm zumutbaren Qualitätsmanagement-Massnahmen getroffen und sämtliche Fabrikationspflichten erfüllt hat. Deshalb haben die nachfolgenden Darlegungen für eine Haftung nach dem PrHG keine rechtliche, hingegen aber praktische Bedeutung zur Verhinderung allfälliger Produkthaftungsfälle.

Die Rechtsprechung hat bislang sieben Pflichtenkreise eines Warenherstellers herausgearbeitet (gleichgültig, welcher Art seine Produkte sind, insbesondere auch ob Teil- oder Endprodukte). Diese Pflichtkreise sind alle auch Bestandteil von ISO 9001.

Betriebsorganisation

Betriebsorganisationspflichten (Aufbau- und Ablauforganisation): Der Unternehmer ist verpflichtet, seinen Betrieb allgemein ausreichend zu organisieren, d. h. so einzurichten, dass eine ordnungsgemässe Geschäfts- und Betriebsführung im Hinblick auf die Erfüllung der Kundenanforderungen gewährleistet ist.

Arbeitnehmer

Personalpflichten – Haftung für Betriebsangehörige (Personalauswahl und -führung): Der Unternehmer muss die bei ihm beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ordnungsgemäss auswählen, anleiten bzw. schulen und überwachen.

Entwicklung

Konstruktions- oder Planungspflichten (Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen): Ein Produkt muss ordnungsgemäss, sach- und zweckgerecht konzipiert sein, d. h. dem gesicherten Stand von Wissenschaft und Technik entsprechend sicher und ungefährlich konstruiert sein. Die Konstruktionspflicht ist also die Pflicht zur Vermeidung von Schadensursachen auf planerischer bzw. Entwicklungsebene. Dabei ist auch ein Fehlverhalten bzw. die unsachgemässe Verwendung von Produkten durch Konsumenten zu berücksichtigen, ausgehend von einer systematischen Gefahrenanalyse (FMEA, HAZOP, HACCP u.a.m.).

Produktion

Herstellungs- oder Fabrikationspflichten (Produktion): Entsprechend den (fehlerfreien) Konstruktions- bzw. Entwicklungsplänen muss auch fehlerfrei fabriziert werden und die Produkte müssen ordnungsgemäss auf ihre fehlerfreie Beschaffenheit kontrolliert werden. Welchen Umfang die vom Unternehmer zu verlangenden Kontrollen haben müssen, hängt davon ab, welche Fabrikationsfehler im jeweiligen Herstellungsprozess auftreten können und ob diese Fabrikationsfehler im Hinblick auf den Verwendungszweck des Produkts im Einzelfall für den Produktbenutzer oder für unbeteiligte Dritte gefährlich werden können.  Die Kenntnis dieser Risiken setzt eine sorgfältig durchgeführte Gefahrenanalyse voraus!

Beschaffung

Zulieferer- bzw. Beschaffungspflichten (Lieferanteauswahl und -überwachung): Der Hersteller darf im Rahmen seines Endprodukts nur solche Zulieferteile verwenden, von deren fehlerfreier Beschaffenheit er überzeugt sein darf, d. h. er muss sich von der Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit seiner Zulieferer überzeugen, also davon, ob diese die ihnen als Warenhersteller obliegenden Pflichten ordnungsgemäss erfüllen.

Instruktion

Instruktionspflichten (Lagerung, Transport, Vertrieb, Verkauf): Der Hersteller muss dafür sorgen, dass bei Lagerung, Verpackung und Transport der Produkte keine zusätzlichen Qualitätseinbussen entstehen, welche zu Schadenfällen führen könnten. Der Hersteller muss ferner vor technisch oder wirtschaftlich unvermeidbaren Gefahren, die von seinem Produkt ausgehen und die für den normalen, vernünftigen Durchschnittsbenutzer nicht oder nicht ohne weiteres erkennbar sind, warnen (“instruieren”, z. B. mittels Beipackzettel).

Marktbeobachtung

Produktbeobachtungspflichten (Produktbeobachtung): Der Hersteller muss nach dem Inverkehrbringen seiner Produkte beobachten, wie sich diese (oder ähnliche Produkte von Mitbewerbern) in der Praxis bewähren und im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren einschreiten (z. B. durch eine Rückrufaktion; Vertriebshändler- oder Kundenbenachrichtigung, nachträgliches Bereitstellen von Sicherheitseinrichtungen, Verkaufsstopp etc.), wenn sich eine zuvor nicht erkannte oder nicht erkennbare Gefährlichkeit seines Produkts herausstellt (Gefahrenabwendung).

Beweismittelsammlung

Die Umsetzung der oben erwähnten Pflichten muss mit entsprechenden Aufzeichnungen belegt werden können. Eine Beweismittelsammlung oder Dokumentation muss geschlossen sein, um sowohl die allgemeine Entwicklungsgeschichte des Produkts, als auch dessen Herstellung im Einzelfall aufzeigen zu können. Sie sollte zeitlich geordnet, übersichtlich gegliedert sowie jederzeit zugriffsbereit sein.

Aufbewahrungsdauer von Aufzeichnungen

Die Lebensdauer bzw. -erwartung eines Produkts ist für die Aufbewahrungszeit der dieses Produkt betreffenden Unterlagen von Bedeutung. Nach dem Produkthaftungsgesetz verwirken Ansprüche zehn Jahre nach dem Tag, an dem die Herstellerin das Produkt, das den Schaden verursacht hat, in Verkehr gebracht hat. Weiter verjähren Ansprüche drei Jahre nach dem Tag, an dem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden, dem Fehler und von der Person der Herstellerin erlangt hat oder hätte erlangen müssen.